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Xenobiologie
Die Xenobiologie geht davon aus, dass neue Lebensformen mit neuen Eigenschaften aus Zellpopulationen mit vollintegrierten neuen chemischen Funktionalitäten entstehen. Demnach sollte die Synthese chemisch modifizierter Biomoleküle, die durch biomimetische „Biochemie“ gewonnen werden, nur der erste Schritt sein auf dem Weg zu Zellen mit einer veränderten chemischen Zusammensetzung der Biomasse. Erst später würden dann die funktionellen Eigenschaften belebter Systeme durch künstliche Evolution weiter diversifiziert werden, indem neue metabolische Eigenschaften genetisch akkumuliert würden. Durch die zunehmenden Unterschiede zwischen den so geschaffenen und den bereits existierenden Lebewesen würden sich tiefe Gräben auftun, die wegen des veränderten genetischen Codes (nicht-kanonische Aminosäuren; Codonemanzipation, etc.) und eines anderen genetischen Speichermaterials (nicht-natürliche Nukleotidvarianten) zu einer biochemischen Inkompatibilität führen. Es gäbe dann xenobiotische Organismen, die neben den durch natürliche Prozesse entstandenen Lebewesen auf diesem Planeten existieren würden.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir es hier mit einer
großen, vielleicht unüberwindbaren Herausforderung zu tun haben.
Besonders im Hinblick darauf, dass der Zellstoffwechsel hoch
standardisiert (und modularisiert) ist, und dass der genetische Code
so gut wie universell ist. Es ist bekannt, dass das hohe Maß an
Interkonnektivität der Zellchemie (welches uns die Systembiologie in
immer neuer Drastigkeit veranschaulicht)zu systemischen Aberrationen
führt. Dabei besteht die Gefahr, dass das System instabil wird und
nicht dauerhaft überlebensfähig ist.
In dieser Hinsicht ist es daher zunächst das vorrangige Ziel
der Xenobiologie, eine künstliche Evolution von Zellen mit
veränderter chemischer Zusammensetzung zu ermöglichen, denen es
wiederum möglich ist, stabil zu existieren und sich zu vermehren; und
zwar zeitlich unbegrenzt und in genetischer Isolation von
konventionellen Lebewesen. Für diese Organismen, in denen zelluläre
Komponenten gegen nichtkanonische Analoga ausgetauscht sind, lassen
sich spannende neuartige Eigenschaften vorhersagen.
Aus dieser Perspektive war die Herstellung gentechnisch
veränderter Organismen durch Klonierung, Mutation und Selektion nur
der erste Schritt auf der langwierigen Suche nach der Schaffung
künstlicher Biodiversität. Die natürlichen Organismen würden damit
besser geschützt, da sie mit dem veränderten Code inkompatibel
sind.
Für mehr Details:
Marliere P. The farther, the safer: a manifesto for securely navigating synthetic species away from the old living world. Syst Synth Biol., 2009, 3, 77-84. doi:10.1007/s11693-009-9040-9 [1]
Xenobiologie [2]
09-9040-9
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